Central and East European
Society for Phenomenology

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218821

Gesellschaftliche und Politische Bedingungen des Rechtsstaates

Niklas Luhmann

pp. 53-65

Abstract

Politische Strukturen gehören zu den ältesten Rollendifferenzierungen der Sozialordnung. Sobald Gesellschaften über den Verband einer Großfamilie hinauswachsen und ein noch so lockeres Zusammenleben mehrerer Familien geordnet werden muß, entsteht ein Bedarf für kollektiv-verbindliche Entscheidungen, die nicht mehr allein auf Grund der Familienordnung getroffen werden können. Es müssen bereits in archaischen Kulturen besondere Rollen geschaffen werden, die zunächst gelegentlich, dann mehr und mehr kontinuierlich mit dieser Entscheidungstätigkeit befaßt sind. Das Bewußtsein der Entstehung einer politischen Handlungssphäre aus der Familie durch Überbau spiegelt die ältere Lehre der politischen Wissenschaft deutlich wider: Über der »oikonomia« wird eine »politeia« errichtet, die zahlreiche Familien zusammenfaßt, deren gemeinsame Angelegenheiten ordnet und daher auch »res publica« genannt wird. Erst durch eine solche »politeia« und in ihren Grenzen wird die Sozialordnung autark, bestandsfähig, und das heißt: Gesellschaft. Im traditionellen politischen Denken wird daher die »politeia« mit der Gesellschaft, die politische Wissenschaft mit der Gesellschaf tswissenschaf t gleichgesetzt. Bis in die Neuzeit hinein scheint diese einfache, vertikal gedachte begriffliche Differenzierung zur Darstellung der gesellschaftlichen Wirklichkeit auszureichen.

Publication details

Published in:

Luhmann Niklas (1971) Politische Planung: Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Pages: 53-65

DOI: 10.1007/978-3-663-07662-9_5

Full citation:

Luhmann Niklas (1971) Gesellschaftliche und Politische Bedingungen des Rechtsstaates, In: Politische Planung, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 53–65.