Central and East European
Society for Phenomenology

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218819

Komplexität und Demokratie

Niklas Luhmann

pp. 35-45

Abstract

Zwei gegenläufige Eindrücke formieren die neuere Demokratiediskussion: die Einsicht in die universelle Anerkennung der Demokratie als Norm für politische Systeme und der Zweifel an der Möglichkeit von Demokratie. Frieder Naschold hat das Verdienst, dieser Aporie einer unmöglichen Norm die Fassung eines wissenschaftlichen Themas gegeben zu haben. Er läßt die nur kompromittierenden Kompromisse, Abschwächungen und »realistischen« Einschränkungen des Demokratiekonzepts hinter sich und konfrontiert eine sich in Anfängen abzeichnende Theorie hochkomplexer Systeme direkt mit der Norm Demokratie. Dahinter steht die Annahme, daß die Strukturen hochkomplexer Systeme zumindest im Bereich von Organisation und Politik kontingent, also praktisch wählbar sind und daß es Sinn habe, diese Wahl an den klassischen (!) Normen der Demokratie zu orientieren. Daraus ergibt sich die Aufforderung an die Systemtheorie, ihre impliziten normativen Prämissen zu entlarven und in puncto Demokratie Farbe zu bekennen. Im Hinblick auf meine Auffassung von Systemtheorie unterstellt Naschold einen nachweisbar stark verkürzten Demokratiebegriff (S. 505, 510 Anm. 65a), der hinter den Erfordernissen der Planung und Entscheidung zurücktrete und, so scheint es, die humanen Werte unter den technokratischen Reduktionsweisen verkümmern lasse.

Publication details

Published in:

Luhmann Niklas (1971) Politische Planung: Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Pages: 35-45

DOI: 10.1007/978-3-663-07662-9_3

Full citation:

Luhmann Niklas (1971) Komplexität und Demokratie, In: Politische Planung, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 35–45.