Central and East European
Society for Phenomenology

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220544

Widerstandsrecht und Politische Gewalt

Niklas Luhmann

pp. 161-170

Abstract

Die neu auflebende Diskussion über ein Widerstandsrecht versetzt die politische Theorie in einen Zustand zurück, den man seit fast dreihundert Jahren überwunden glaubte. Anscheinend kehren genau die Probleme wieder, die die Staatslehre im 16. und 17. Jahrhundert beschäftigt hatten. Offensichtlich gibt es ein Staatsinteresse, das nicht schlechtweg negiert werden kann, und ebenso offensichtlich ist dadurch allein noch nicht garantiert, daß alles, was auf dieser Grundlage geschieht, dadurch schon gerechtfertigt ist. Die Auskunft des 17. Jahrhunderts lautete, es komme auf die Weisheit der Staatsleitung an, die von ihrer Macht nur mit Vorsicht und Maß und nur bei äußerster Not mit Verstoß gegen Moral und Recht Gebrauch machen würde. Die Staatsräson könne (als Element ihrer selbst) der Vernunft nicht entraten. Die Auskunft des 20. Jahrhunderts hat dieselbe Struktur, wenngleich unter den Bedingungen der Demokratie andere Adressaten. Der zivile Ungehorsam müsse mit Maß und mit dem notwendigen Respekt vor Demokratie und Rechtsstaat durchgeführt werden. Man solle das Notwendige nur in Kenntnis seiner Probleme, nur schlechten Gewissens und nur tun, wenn keine anderen Mittel zu Verfügung stehen.

Publication details

Published in:

Luhmann Niklas (1987) Soziologische Aufklärung 4: Beiträge zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Pages: 161-170

DOI: 10.1007/978-3-663-01341-9_12

Full citation:

Luhmann Niklas (1987) Widerstandsrecht und Politische Gewalt, In: Soziologische Aufklärung 4, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 161–170.