Central and East European
Society for Phenomenology

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201595

Europa und die neue Völkerwanderung

Peter L Berger

pp. 199-211

Abstract

Im Titel dieses Aufsatzes sind zwei oft benützte Worte, "Völkerwanderung" und "Europa", die emotional besetzte Bilder auslösen. Für jeden, der eine deutschsprachige Schule besucht hat, erinnert dieses Wort an den Untergang Roms: Barbarische Horden strömen über unverteidigte Grenzen. Hunnische Pferde grasen auf dem Kapitol. Unkraut wächst aus den Ruinen altehrwürdiger Tempel. Es ist ein Wort, das (jedenfalls für deutschsprachige Menschen) Untergangsängste auslöst. "Europa" ist, wenn ich das so ausdrücken darf, ein Gegen-Wort. Es löst Gegen-Bilder aus. Die klare Schönheit griechischer Heiligtümer. Gothische Kathedralen. Die dramatischen Szenen eines jahrhundertelangen Kampfes um die Freiheit, von Marathon über den Sturm auf die Bastille bis zum Fall der Berliner Mauer. Natürlich liegt in diesen Bildern eine kolossale Vereinfachung, eine terrible simplification, der europäischen Geschichte, und diese Vereinfachung ist gefährlich. Trotzdem: Die meisten Klischees enthalten einen Wahrheitskern, auch dieses Klischee. Der Wahrheitskern ist genauso wichtig wie seine Verzerrungen.

Publication details

Published in:

Wicke Michael (1997) Konfigurationen lebensweltlicher Strukturphänomene: soziologische Varianten phänomenologisch-hermeneutischer Welterschließung. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Pages: 199-211

DOI: 10.1007/978-3-322-96030-6_12

Full citation:

Berger Peter L (1997) „Europa und die neue Völkerwanderung“, In: M. Wicke (Hrsg.), Konfigurationen lebensweltlicher Strukturphänomene, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 199–211.